Wunschproduktion

Freiräume für künstlerische Ideenproduktion – oder wie es schon einmal in den 1990ern hieß: Wunschproduktion – die fehlen und die Beteiligung von Künstler_innen und Gestalter_innen findet nicht statt. Beides ist aber existenziell notwendig, um sich auch den vermeintlich grundlegenden Aufgaben einer Gesellschaft immer wieder spielerisch und experimentell zu nähern, damit im Fokus der städtischen Entwicklungen auch immer wieder die stehen, die Stadt ausmachen: diejenigen, die darin wohnen.

Zum Beispiel das Grand Hotel Cosmopolis in Augsburg: Dort waren Künstler_innen auf der Suche nach Ateliers, entdeckten ein ehemalig kirchliches, leerstehendes Altersheim und entwickelten daraus zu gleichen Teilen ein Hotel, Künstler_innenateliers und eine Unterkunft für Geflüchtete. Alle unterstützen sich, das Hotel ist ausgebucht und finanziert die Projekte und Veranstaltungen, die sie organisieren. Mittlerweile ist das Grand Hotel Cosmopolis ein exemplarischer Sehnsuchtsort geworden und ein Beispiel dafür, dass ein Miteinander besser funktioniert als Ghettoisierung. Kommunikation, Unterstützung, Gemeinsamkeiten können besser wachsen. In der Kombination von normalerweise vollkommen getrennten „Welten“ entstand in Augsburg etwas wirklich Explosives, im positiven Sinne. Die neue Konstruktion hat alle Beteiligten zu gleichberechtigten Partner_innen werden lassen, die sich gegenseitig helfen, akzeptieren und die alle ihre Fähigkeiten in das Gesamtprojekt einbringen. Nun lässt sich eine gute Idee nicht einfach importieren, sondern es geht darum, die Möglichkeitsräume zu bieten, dass solche Experimente wachsen können und vielleicht auch mit ganz anderen Kooperationskonstellationen funktionieren.

Letztendlich geht es darum, wie sich die Städte weiterentwickeln. Berlin ist zwar attraktiv geworden, aber ist nicht behindertengerecht, die Verkehrsverhältnisse sind für Fahrradfahrer_innen katastrophal. Es gibt kaum noch öffentliche Begegnungsstätten oder Kommunikationsorte, wo man sich aufhalten kann, ohne zu konsumieren. Überall regieren die Sachzwänge und die Konformität wird immer bedrängender. Wenn alles dem kommerziellen und kapitalistischen Selbstlauf überlassen wird, gehen die Eigenheiten und die Attraktionen von Städten verloren, weil sich dann die durchsetzen, die einfach alles bezahlen können und Künstler_innen und Gestalter_innen weder Produktions- noch Präsentations- oder Lebensräume mehr finden. Die Versuche, über die Initiative StadtNeudenken ein Umdenken zu erreichen, hat zumindest eine neue Liegenschaftspolitik bewirkt, aber das ist viel zu wenig. Künstlerisch-gestalterische Einflussnahme müsste in allen Details –Bildung, Stadtplanung, Sozialen Angelegenheiten- zum Tragen kommen, damit modellhaft ausprobiert werden kann, wie Berlin einen eigenen Weg gehen kann und nicht die Fehler anderer Städte wiederholt.

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Written by Nele Herzog

Nele Herzog arbeitet seit April bei anschlaege und hat ständig das Bedürfnis Alltagsgeschichten festzuhalten. Sie führt die Interviews.