Pfade zum Wesentlichen

Sympathische Ideen fangen mit Fragezeichen an. Für meinen persönlichen Lebensweg, aber auch meine berufliche Arbeit, finde ich Suchprozesse am interessantesten. Ich hege eine große Sympathie dafür, dass eine Idee kein Zustand ist, sondern ein Organismus, ein Werdegang, der sich weiterentwickelt. Es kommt darauf an, die richtigen Fragen zu stellen. Wenn die wesentlichen Aspekte sich dann stärker herauskristallisieren, setzt ein Prozess ein, in dem sich mögliche Antworten finden lassen.

Wie Ideen für Räume in Veränderung entstehen können, macht den Kern unserer Arbeit bei Urban Catalyst aus. Dabei kommt es uns mehr auf den Weg dorthin, als auf einen gestalteten Endzustand an. Meistens beginnen wir in komplexen Situationen, bei denen niemand genau weiß, wohin die Reise geht. Das können Jugendliche sein, die einen Ort für ihr „Ding“ suchen, eine Industriebrache oder eine Stadt, die sich fragt, wo sie in den nächsten Jahren 100.000 Menschen unterbringen soll. Zu einer Idee für einen Ort kommen wir, indem wir mit möglichst vielen Menschen reden. Das Besprochene bilden wir ab. Am liebsten ohne Strom, mit dem Stift, oder auf dem Boden, in Form eines begehbaren Modells. So wird für alle Beteiligten deutlich, was da ist und wie es sich verändern kann. Am besten finde ich, dass es dabei immer auch um sehr grundlegende Fragen geht. Wie wollen wir leben? Wie bewegen wir uns fort? Woher kommen Energie und Nahrung? Was passiert, wenn kein Wachstum mehr zu erwarten ist?

Am Ende kommt es immer darauf an, Komplexität zu reduzieren, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Ein gutes Mittel ist es, Abstand zu nehmen.Viele Leute stellen sich dann unter die Dusche. Da prasselt es auf andere Rezeptoren, auf einmal denkt und sieht man anders und es kommt einem eine Idee. Ich gehe in meinen Garten, da habe ich die besten Ideen. Der liegt in einer Obstwiese in Brandenburg, umgeben von meterhohen Brennnesseln. Beim Gärtnern geht es nie um etwas Festes, Fertiges, sondern um Veränderung und Prozesse, die ich mitgestalten kann. Ich bin in der Erde und über mir ein freier, offener Kosmos. Da sackt der Wusel, das Alltagsgetue ab. Ich schichte alles auf den Komposthaufen, und am Ende bleibt das Wesentliche übrig.

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Written by Nele Herzog

Nele Herzog arbeitet seit April bei anschlaege und hat ständig das Bedürfnis Alltagsgeschichten festzuhalten. Sie führt die Interviews.