Dicke Eier und große Fresse

Es gibt die Debatte, ob der Mellowpark ein Ort, oder eine Philosophie ist. Beim Fantasien in Realität übersetzen hilft es mir, ihn als Ort zu denken. Ich studiere wie die Leute sich bewegen, was sie machen, was von ganz alleine entsteht, dann entsteht auch in meinem Kopf etwas Neues. Manchmal denke ich auch, ich werde irre, weil ich komplette Fabriketagen im Kopf fertig ausgebaut und eingerichtet habe und danach im Kopf hundertmal durchgelaufen bin, aber es nie für andere visualisiert habe. Jetzt gerade erarbeiten wir in einer kleinen Runde eine 3D-Animation der Vision Mellowpark 2024. Im Prinzip wird da aus meinem Kopf in ein 3D-Programm ausgelesen, gezeichnet.

Meine Ideen leben vom Anfassen, Ausprobieren, Mitmachen, Dabeisein. Ausprobieren ist ein Riesenthema für uns, der Mellowpark ist formaljuristisch ein Sportverein, aber für mich auch Stadtlabor. Bei Sport geht’s mir um Kommunikation, Miteinander, Hinfallen, Aufstehen, Lachen, Weinen, Spaß haben. Es geht nicht ohne Träumereien, Spinnereien, ohne das, was wir hier berlinerisch gern dicke Eier und große Fresse nennen. Wir entwickeln Angebote für selbstbestimmte Freizeitgestaltung, sind ein zeitgemäßer Sportverein, indem sich auch eine eigene Tischlerei oder ein Club nicht widersprechen, sondern gegenseitig befördern. Gleichzeitig ist der Mellowpark in der deutschen BMX und Skate-Jugendkultur eine Art Mutterschiff für viele andere Projekte in Deutschland. Da gibt es automatisch einen gewissen Druck Türen aufzustoßen. Die, die nach uns kommen, können dann durchlaufen, aber wir laufen gegen Wände, müssen manchmal erst ein Loch rein schlagen, bevor wir oder andere eine Tür einbauen können. Überforderung ist so ein Begriff, der mir oft vorkommt.

Wir sind ein gemeinnütziger Sportverein, unsere Themen aber auch kommerziell interessant. Es gibt Reibung und groteske Entwicklungen im Sport. Um unsere Betriebskosten und Mitarbeiter bezahlen zu können, bin ich bereit Kompromisse einzugehen. Für Kommerzialisierung nicht. Als anerkannte Institution können wir gemeinsam mit unseren Partnern klug überlegen, wie man den Sport fördern kann und nicht zerstört. Wir verkaufen keine Werbepakete und sind auch kein Logo-Friedhof. Hier wirst du Partner, oder kannst eine Veranstaltung unterstützen, aber es gibt keine Promo-Aktionen oder Produktverteilung. Wenn etwas in Deutschland nicht organisiert ist, wie das Skaten zum Beisiel, hast du keine Stimme, denn es gibt hier nun mal diese verbandsgetriebene Struktur. Im Kleingarten-, Schach- oder Fußballverein entscheiden meist 90-jährige Männer, wie und nach welchen Regeln gespielt wird. Oder du verweigerst dich dem. In den Mellowpark kann jeder kommen.

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Written by Nele Herzog

Nele Herzog arbeitet seit April bei anschlaege und hat ständig das Bedürfnis Alltagsgeschichten festzuhalten. Sie führt die Interviews.