Interessanter als Geld

Mir ist eingefallen, dass ich zwar bei meinen Ideen geblieben bin, aber die Selbstzweifel irgendwie nicht weggegangen sind. Ich hatte keine Idee von der ich sagen würde: Das ist fertig, genial, besser geht’s nicht. Bin immer noch am Grübeln, ob man es nicht vielleicht doch alles ganz anders machen sollte.

Zum Beispiele dieses Deserteur-Label, dass ich gegründet habe- ich hatte so ein Soldatenhemd gefunden, da war kein Namensschild mehr dran und ich habe stattdessen mit Edding ‘Deserteur’ draufgeschrieben. Das fanden alle lustig und toll, da habe ich angefangen es sticken zu lassen und diese Hemden zu sammeln. Ich habe den Markennamen sogar gekauft, weil ich dachte, das ist vielleicht eine Idee, die voll einschlägt und bevor mir Adidas den Namen klaut, will ich ihn für mich reservieren. Aber ich habe Zweifel, ob ich mit der Anti-Haltung zum Krieg Geschäfte machen sollte, es nicht doch lieber eine Kunst oder Politaktion sein soll. Ich habe bisher noch kein Geld damit verdient- was mich eher daran begeistert ist, dass Leute mit Deserteur-Soldatenhemden rumrennen, andere Leute das sehen und Gespräche entstehen. Das finde ich interessanter als Geld.

So entstehen bei mir alle Ideen: Ich bringe Gegenteile zusammen. Aber nicht nur Ideen, ich finde es auch toll Leute zusammenzubringen, die nicht zusammenpassen. Das begeistert mich und spiegelt sich auch in meinen Plakat-Kampagnen für die mit der mit der Überpartei fusionierten Bergpartei wieder. So ein Slogan wie „Wachstum als Holzweg“, bringt es auf den Punkt, obwohl er allgemeingültig ist. Eigentlich tauchen wir nur auf, wenn es irgendwo Wahlen gibt, um die absolute Minderheit anzustreben. Das ist ein Ventil, eine persönliche Abwehrhaltung, weil die anderen Wahlplakate so dümmlich sind und die Absichten so klar erkennbar. Vielleicht ist es aber auch eine Solidaritätsbekundung mit gewissen Leuten, die ich nicht kenne, aber von denen ich glaube, dass die hier in der Stadt rumlaufen und sich freuen, wenn da so was steht. Früher haben wir uns in heillose Diskussionen gestürzt um Wahlbeteiligungsunterstützungsunterschriften zu bekommen, jetzt fragen wir einfach: Hast du auf einer Verkehrsinsel schon mal ein Bergpartei-Plakat gesehen? Wir machen nichts besser, wir versprechen nichts. Aber wenn ich jetzt gewählt würde- könnte ja passieren, wenn man in Kreuzberg oder so antritt- dann würden wir auch nicht sagen…oh, das war alles nur ein Witz. Dann würde ich es ausprobieren und vielleicht auch gar nicht so schlecht machen. Obwohl ich keine Ahnung habe, aber vielleicht gerade deswegen.

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Written by Nele Herzog

Nele Herzog arbeitet seit April bei anschlaege und hat ständig das Bedürfnis Alltagsgeschichten festzuhalten. Sie führt die Interviews.