Aus Gewissensgründen

Wenn du in den 10. Stock eines Gebäudes willst und du könntest den Aufzug oder die Treppe nehmen, was nimmst du? Die Meisten würden den Aufzug nehmen, weil es schneller geht und einfacher ist- ich habe das Gleiche mit der ägyptischen Armee versucht, als sie mich 2004 einziehen wollte. Ich hatte persönliche Gründe um vom Dienst ausgeschlossen zu werden, ich war zu der Zeit mit einer Ausländerin verheiratet und mein Bruder ist im Gefängnis, weil er transsexuell ist. Ich legte Papiere vor, die diese beiden Dinge bewiesen und sie stoppten den Prozess der Rekrutierung um diese zu untersuchen. Die Untersuchung dauert eineinhalb Jahre, während der ich das Land nicht verlassen durfte und alle zwei Wochen ins Militärcamp musste, um mir eine Arbeitserlaubnis zu holen. Letztes Jahr bewarb ich mich auf einen Praktikumsplatz in Stuttgart, außerdem auf einen Master-Studienplatz in Italien. Ich hatte alle Papiere zusammen und mich beim ägyptischen Supervisionsamt für Studenten im Ausland registriert. Das Ministerium für Höhere Bildung schrieb der Armee sogar einen offiziellen Brief, indem sie darum baten, meinen Dienst zu verschieben. Aber die Bitte wurde mit dem Grund, dass meine Situation unklar und die Untersuchung noch nicht vorbei war, abgelehnt. Also musste ich die Treppe nehmen: Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen. Im Sommer 2012 während einer Summer School über Menschenrechte, hörte ich zum ersten Mal davon. Ich wusste, wie schwer es werden würde, weil ein paar Freunde von mir es versucht haben. Sieben Ägypter sind bisher damit an die Öffentlichkeit gegangen. Ich im letzten Oktober, es wurde viral auf Facebook und ich paranoid.

Eine Kriegsdienstverweigerung in Ägypten öffentlich zu machen ist ein zweischneidiges Schwert. Es könnte gut laufen und die Prozeduren beschleunigen, sie dich ernst nehmen lassen. Außerdem ist es ein relativ guter Schutz. Wenn dir etwas zustößt, weißt du, dass Leute darüber sprechen werden. Andererseits musst du mit dem Wissen leben, dass sie dich jederzeit verhaften könnten. Ich kontaktierte einige Anwälte, aber die Meisten lehnten es ab mich, im Falle des Falles, vor Gericht zu verteidigen. Es ist ein riskantes Thema hier. Nun hat sich meine Angst etwas gelegt. Im besten Fall, worauf ich hoffe, werden sie mich in einem Jahr freigeben. Ansonsten muss ich fünf Jahre warten, bis ich 30 bin und eine hohe Auslöse bezahlen dürfte. Meine Zukunft ist ungewiss, der Weg blockiert.

Vor der Revolution 2011 entschied der Zufall welcher von den Rekruten, die die medizinische Untersuchung bestanden, ausgewählt wurden. Jetzt brauchen sie alle, die sie kriegen können. Manche sagen wegen des Kriegs gegen den Terrorismus, aber das ist Bullshit. Es ist vor allem, weil die Armee Projektverträge mit der Regierung und Fabrikbesitzern überall unterhält. Sie bauen Städte und die Produkte, die aus ihren Fabriken kommen, sind viel günstiger, weil sie keine Steuern und ihre Arbeiter schlecht bezahlen. Neu rekrutierte Soldaten bekommen 250 ägyptische Pfund im Monat, was bei derzeitiger (nach-inflationärer) Umtauschrate etwa 13 Euro sind. Ich habe Freunde in der Armee die bis zu 18 Stunden am Tag arbeiten, schlafen und von vorne anfangen. Damit kann kein anderer Betrieb mithalten.

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Written by Nele Herzog

Nele Herzog arbeitet seit April bei anschlaege und hat ständig das Bedürfnis Alltagsgeschichten festzuhalten. Sie führt die Interviews.