Den Intensitäten folgen

Musik machen ist gut mit Anderen. Ich finde es auch richtig geil alleine, aber mag es, wenn ich live mit jemandem improvisieren kann oder mir jemand einen Beat gibt und ich mir was dazu ausdenke. Oder anders herum, ich gebe jemandem was und der baut darum was und gibt es mir zurück, und dann wieder ich usw. Das ist ein erfüllender, wechselseitiger Prozess. Aber wenn ich schreibe, brauche ich Isolation. Aus Ruhe und Gelassenheit kann ich richtig gut etwas entwickeln. Ich habe ein kleines Büro, da fahre ich hin, sitze meistens eine Stunde rum und gucke an die Wand, bis mir so richtig langweilig ist, mache Notizen, sammle Gedankenfetzen, besondere Sätze, Erinnerungen. Dann gehen die Fantasien los und es setzt sich irgendwann das, was erzählt werden muss, von alleine durch. Das Geilste beim Schreiben ist der Punkt, an dem ich das Gefühl habe, ich mache es gerade nur für mich und schaffe es, ein potentielles Publikum nicht mitzudenken. Also der Punkt, an dem ich Andere und mich selbst vergesse. Je länger ich das beruflich mache, desto schwerer finde ich das. Und ich vermisse manchmal die Zeit, in der ich Sachen nur für mich gemacht habe und nicht darüber nachdenken musste, dass es irgendwer sieht oder hört. Wenn ich mitdenke, wie Leute reagieren könnten, bin ich nicht so frei, wie ich sein könnte. Wenn ich im Büro sitze und denke, es ist mal wieder Zeit etwas zu schreiben und mir fällt nichts ein, dann kann ich irgendeine Geschichte schreiben, aber die interessiert mich eigentlich selber nicht. Das ist das Ding. Wenn es im Tun keinen Genuss am Tun gibt, wie soll es dann jemand genießen den Text zu lesen? Man kann sich da nicht ausklammern. Wenn man ein Buch liest, weiß man danach, ob die Person, die es geschrieben hat, cool ist oder nicht.

Ich habe letztens irgendwo gelesen, man soll immer den Intensitäten folgen. Das fand ich unklar und gut. Man spürt intuitiv, wenn man bei etwas ist, ob man es unbedingt machen will. Zu merken, dass ich Bock habe, etwas zu Ende zu bringen und es findet später Anklang bei Anderen – das ist es.

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Written by Nele Herzog

Nele Herzog arbeitet seit April bei anschlaege und hat ständig das Bedürfnis Alltagsgeschichten festzuhalten. Sie führt die Interviews.