Von der unteren Ebene her

Meine Eltern sind beide Maler und die Idee war deshalb eigentlich, niemals Maler zu werden. Habe immer gezeichnet, wollte aber damit nichts anfangen. Ich wollte Musiker oder Schriftsteller werden. Meine Lehrerin hat mir gesagt, dass es mit dem Abitur schwierig werden könnte und ich solle mich an der KHB Weißensee bewerben. Mach das, dann hast du ein Diplom, sagte sie. Ich habe mich aus Spaß beworben, wurde genommen und musste die Schule nicht weitermachen. Die eigentliche Entscheidung dafür fiel aber erst nach 6 Jahren Studium. Da dachte ich, das mit der Musik werde ich, wegen der vielen Drogen nicht packen und Schreiben ist zu einsam. Also 7 Tage die Woche malen.

Manch abstrakter Maler schmiert einfach los, die Idee findet sich während des Aktes. Ich bin aber ein figürlicher Maler und kann nicht ohne Grundgerüst anfangen. Ein Schriftsteller, Krimiautor zum Beispiel fängt mit der Mordidee an und schreibt dann von hinten nach vorne. Wenn mir eine Figur gefällt, die ich gezeichnet, entdeckt oder in der Realität erblickt habe, ist die der Ausgangspunkt. Das ist so, wie wenn ein Schriftsteller vom Charakter, dem Aussehen einer Figur inspiriert wird und dann beim Schreiben entscheidet, was ihr passiert. Der Hintergrund ist noch nicht geklärt, was passiert auch nicht. Ich möchte beim Malen selbst nicht wissen, wohin es eigentlich geht. Sonst könnte ich Illustrator sein und Ideen ausmalen. Die Grundidee ist eine Energie, die ich mit einer Komposition manifestieren möchte. Meistens kommt die von Musik, weil ich Musik zum Malen höre. Das kann ich schwer beschreiben, deswegen bin ich auch Maler und nicht Schriftsteller.

Ich male nicht intellektuell, sondern von Herzen, der unteren Ebene her. Wenn ich anfange zu denken, wird das Ergebnis oft hölzern. Ich arbeite viel mit Zufall und bin auch oft destruktiv, zerstöre eine Leichtigkeit im Bild. Jetzt zum Beispiel habe ich gerade einen schönen Farbklang in einem Bild in gelb, ocker, Holztönen, ich denke immer an Schweden dabei. Heute gehe ich mit rot und blau rein und mache daraus ein buntes Bild. Aber ich zerstöre es auch. Morgen arbeite ich vielleicht in anderer Stimmung wieder dagegen. Das Bild ist am letzten Tag der Deadline fertig, weil dann die Kunst-Transporteure mit Fluppe im Mund im Atelier stehen und es mir wegnehmen- ansonsten würde ich wahrscheinlich 20 Jahre daran arbeiten. Ich finde meine Bilder auch ganz oft merkwürdig unperfekt und die hängen trotzdem, weil ich eine Deadline habe und die Ausstellung füllen muss. Wenn dann jemand kommt und es trotzdem geil findet, das freut mich. Dann weiß ich wieder, dass jeder eine andere Optik hat. Für andere ist dein perfektes Bild vielleicht totaler Schrott und andersrum. Deswegen finde ich, dass es eigentlich auch gar keine guten und schlechten Ideen gibt. Man sollte auch den Mut haben, Ideen zu verwirklichen, die vielleicht nur einen einzigen Liebhaber finden werden. Auch wenn Du zuerst selbst nur derjenige bist, es wird irgendwann einen Zweiten geben.

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Written by Nele Herzog

Nele Herzog arbeitet seit April bei anschlaege und hat ständig das Bedürfnis Alltagsgeschichten festzuhalten. Sie führt die Interviews.