Theater ohne Theater

Ich glaube die Basisidee, Theater ohne Theater zu machen, ist das Alleinstellungsmerkmal von dem, was ich heute tue. Diesen schwarzen Kasten zu verlassen und mich als Theatermacher auf mein Publikum zuzubewegen. In die Stadt hineinzugehen, um da Geschichten zu entdecken. Normalerweise steht eine Person auf der Bühne, spielt eine Rolle und ich schaue zu. Wenn du diese drei Variablen veränderst, löst sich Theater in seiner herkömmlichen Form auf. Was passiert, wenn ich mit einer theatralen Form oder Fragestellung einen öffentlichen Raum bespiele, ohne dass ich kundtue, dass das Theater ist? Das war der Ausgangspunkt von dem, was wir mit urban dialogues anno 1998 gemacht haben und streng genommen bis heute tun. Unsichtbares Theater, ohne eine Ankündigung, an verschiedenen Orten in der Berliner Mitte, wo wir wussten, dass sie in der damaligen Form in 5, 10 oder 15 Jahren nicht mehr existent sein werden. Wir haben in Performances etwas gestaltet, wo der Passant sich irritiert fühlte, darauf reagierte oder nicht. Im Endeffekt hat er nicht erfahren, dass sich dahinter eine Kunstveranstaltung verbarg.

Solange Ideen in irgendeiner Form auf einen Markt treffen, du davon leben kannst, ist das ganz im Lot. Unter der Prämisse, dass du bei alldem was du dafür zu tun hast, natürlich nicht morgens aufwachst und denkst: Jetzt hat mich die Muse geküsst, ich werfe Farbe auf eine Leinwand und dann habe ich mein Tagwerk getan. Da gehören viele artfremde Dinge dazu.

Mir hat mal ein Altphilologe, der ein Antiquariat am Kudamm geleitet hat, einen wertvollen Satz gesagt: Ob er hier arbeite oder ein Klärwerk leite, sei zu 70 Prozent das Selbe. Nur ein Teil seines täglichen Tuns ist die Beschäftigung mit alten Büchern. So geht es im Prinzip jedem, der professionell in einem kreativen Beruf unterwegs ist. Diese 70 Prozent dienen als Steigbügel, dass du zu 30 Prozent wirklich das machen kannst, was dir ureigen ist.

Mehr zu Stefan Horn

Written by Nele Herzog

Nele Herzog arbeitet seit April bei anschlaege und hat ständig das Bedürfnis Alltagsgeschichten festzuhalten. Sie führt die Interviews.