Mobil

Mein erstes Auto war ein Renault Kangoo Kastenwagen. Mir war wichtig, absolut mobil zu sein, es war von an Anfang an klar: da muss eine Matratze rein. Der Raum dieses Autos hat mir wahnsinnig viel Spaß gebracht. Während der Abizeit habe ich darin gelebt, danach bin ich damit losgereist. Ich war in Spanien, habe dort mehrere Wochen sehr minimalistisch gelebt. Ich hatte einen Platz gefunden, wo ich mich etwas ausbreiten, meine Hängematte aufhängen, einen Schlafplatz, eine Kochstelle einrichten konnte. Es war nicht viel, aber es war ein Platz zum Wohlfühlen und Entspannen. Durch meine Arbeit als Umzugsunternehmer sehe ich viele Menschen, die unfassbar viele Dinge besitzen, horten, aufbewahren und sich dadurch das Leben schwer machen, unmobil werden. Wenn man es herunterbricht, brauchen wir nicht viel zum Leben. Ich fing an darüber nachzudenken: Was passiert, wenn du deine Wohnung mal so richtig leerräumst? Auf das Nötigste reduzierst? Was bedeutet Mobilität? Wie frei können wir uns bewegen? Und was bedeutet eigentlich Freiheit bezogen auf öffentliche Räume? Kann ich einfach mein Tiny-House auf einen Parkplatz stellen?

Ende 2015, zu einer Zeit als Menschen zu Hunderten in Turnhallen schlafen mussten, wurden diese Gedanken konkreter. Eine in mir schlummernde Idee wurde präsenter und realer: ich wollte aus einer Wechselbrücke einen mobilen Wohnraum bauen. Das System der Wechselbrücke ist deutschlandweit, teilweise europaweit verbreitet. Jeder x-beliebige Spediteur kann deine Wechselbrücke auf seinen LKW aufnehmen und transportieren und täglich fahren tausende Speditionen durch das Land. Der Transport ist also eine einfache Dienstleistung, ein fester Standard, völlig universell und dadurch einfach abrufbar. Die Wechselbrücke steht in ihrer Flexibilität und Mobilität für eine gewisse Reiselust und Fernweh; in ihrer Funktion als mobiler Raum bietet sie aber gleichzeitig einen Rückzugsort zum Wohlfühlen und nach Hause kommen.

Zusammen mit Tjark Pfeiffer, er ist Industrie- und Produktdesigner, habe ich meine Vision in die Tat umgesetzt. Wir haben zusammen ein Haus gebaut, was mobil ist, dabei besser als ein Wohncontainer und die Not des Wohnungsmangels mindern könnte. Unseren ersten Prototypen haben wir aus einer alten Wechselbrücke aus unserer Spedition umgebaut. Er heißt RETREAT und steht für Rückzug und Sicherheit. Wir haben uns aber auch parallel ganz schnell weiterentwickelt, sind vom Hundertsten ins Tausendste gekommen und es haben sich immer weitere Möglichkeiten ergeben. Unser zweiter Prototyp ist ein kompletter neuer Holzaufbau. Der mobile Raum ist vielseitig einsetz- und nutzbar – stell dir eine mobile Bar vor, oder einen Popup-Store, eine Bibliothek oder ein Hotelzimmer am schönsten Hot-Spot. Aufgrund dieser unendlichen Möglichkeiten nennen wir uns heute RESPACE.

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Written by Nele Herzog

Nele Herzog arbeitet seit April bei anschlaege und hat ständig das Bedürfnis Alltagsgeschichten festzuhalten. Sie führt die Interviews.